Freitag, 10. Juli 2009

Düstere Prognosen für Frauenfussball in Stockholm

Dagens Nyheter beschäftigt sich heute ausnahmsweise einmal auf 1,5 Seiten mit dem Thema Frauenfussball. Man konstatiert, dass die drei Stockholmer Vereine in der ersten Liga AIK, Djurgården und Hammarby durchweg schlechte Zuschauerzahlen haben. AIK und Djurgården sind auch wirtschaftlich ins Wanken geraten und haben hohe Defizite.

Wie hier schon früher berichtet, war Djurgården gezwungen, seine Nationalspielerin Sara Thunebro aus einem 2-Jahresvertrag vom 1.FFC Frankfurt freikaufen zu lassen, eine von mehreren Massnahmen (wir sind gespannt), um bis Ende August die strengen Auflagen des schwedischen Fussballverbands zu erfüllen.

In dem Kommentar der schwedischen Zeitung wird einerseits AIK:s junger Trainer Patrik Jidefalk kritisiert, den man schon längst entlassen hätte, wenn man nur genügend Geld für einen Nachfolger hätte. Das sind Spekulationen, an denen wir uns nicht beteiligen wollen. Fakt ist bei AIK, dass die Mannschaft in der Tat weit unter ihrem Potential gespielt hat. Ebenso richtig, dass der Weggang der australischen "Pocket-Rocket" Lisa DeVanna nicht allein herhalten kann für den Abrutsch von Rang 4 auf Rang 8 der Liga. Aufgabe eines Trainers ist es, einerseits seine Spieler auszubilden, sie taktisch einzustellen und zu einer schlagkräftigen Truppe zu formen und andererseits die psychologischen Grundlagen zu schaffen für eine Arbeitsatmosphäre, in der die Spielerinnen sich miteinander entfalten können. Das ist bei AIK gründlich schief gegangen. Da nützt es wenig, wenn die missliche sportliche Lage stänig schöngeredet wird von den Verantwortlichen. Oft schon hat man auf der exzellenten Homepage des Vereins (die man allerdings nur durch beharrliches Klicken überhaupt findet) Interviews mit Spielerinnen und Trainern gesehen, in denen es heisst, dass man nun auf dem richtigen Weg sei. Mitnichten. Die Saison ist verkorkst, alles andere ist falsch. Im Herbst wird sich zeigen, ob man den Spielerstamm halten kann. Mit Anne Mäkinen (33) und Laura Kalmari Österberg (30) hören möglicherweise zwei weitere Leistungsträgerinnen auf, mit Emma Lundh (19) gab es ständig Konflikte, die dazu geführt haben, dass Lundh inzwischen hauptsächlich in der zweiten Liga beim Partnerverein Brommapojkarna spielen muss, dort aber einen Treffer nach dem anderen erzielt. Bei der herrschenden Sturmmisere mit nur 20 Treffern aus 15 Spielen (2008 hatte man 29 Tore zum selben Zeitpunkt) ist es nicht verständlich, dass Lundh nicht wenigstens auf der Bank sitzt. Ob unter den gegebenen Umständen ein Riesentalent wie Louise Fors (19) gehalten werden kann, scheint fraglich.

Hammarby konstatiert Petter Nilsson in seinem Kommentar "schlechte Spiele, gepaart mit noch schlechteren" und zeigt damit, dass er wohl kaum ein Spiel der Grünweissen gesehen hat. Resultatmässig liegt Nilsson nicht falsch. Bei Hammarby erleben wir eine Saison, in der der Club überwiegend gut gespielt hat, allerdings so gut wie alle Spiele gegen die acht besser stehenden Vereine in der Tabelle verloren hat (Ausnahme: 2:0 und 1:1 gegen AIK sowie 1:1 bei Göteborgs FC). Das ist in der Tat zu wenig. Auch wenn man etwa gegen Malmö (0:1 und 1:2) und in Örebro (1:2) sehr nah an Punktgewinnen bzw. sogar einem Sieg dran war. Aber bekanntlich zählt das im Fussball herzlich wenig um nicht zu sagen gar nicht. Dennoch weiss man aus Gesprächen mit Spielerinnen anderer Vereine, dass die allerhöchsten Respekt vor Auswärtsspielen am Kanalplan haben. Aber was läuft hier schief? Leena Puranen, die finnische Nationalspielerin, die im Mai einen Kreuzbandriss erlitt, sagte mir im Frühjahr, dass man bald mal beginnen müsse, auch miteinander zu schimpfen, wenn etwas nicht klappt. Die Stimmung auf Söder ist immer noch sehr gut, kaum eine Truppe scheint sich so gut untereinander zu verstehen, aber vielleicht ist das manchmal schon zu viel des Guten. Es wird schwer sein, die Leistungsträgerinnen zu halten. Für das D21/23-Turnier Nordic Cup in Norwegen, das kommende Woche beginnt, sind Karin Lissel, Anna Lindblom, Nazanin Vaseghpanah und Lena Andersson nominiert. Andere Club aus höheren Tabellenregionen werden alsbald hier und da anrufen, um gerade die grossen Talente abzuwerben. Das ist leichter, wenn man trotz toller Stimmung ohne Erfolg bleibt.

Djurgården wird in dem Kommentar gar nicht kritisiert, was vielleicht daran liegt, dass der Autor diesem Verein am nächsten steht. Ich habe schon erwähnt, dass Djurgården ebenfalls Federn gelassen hat. Über die Jahre gesehen sogar am meisten. Auch wenn das Team jetzt gezeigt hat mit dem Unentschieden beim alten (und neuen) Meister Umeå, dass es viel mehr kann als der sechste Tabellenplatz zeigt. Sein Problem ist die Überalterung. Und die schlechten Zuschauerzahlen. Noch vor zwei Jahren konnte man auf Kristinebergs IP bei jeder Begegnung Scharen von jungen Mädchen sehen, die in verschiedenen Vereinen spielen. Nach jeder Partie bildeten sich lange Schlangen von enthusiastsichen Autogrammjägerinnen. Das ist kaum noch der Fall bei Djurgården 2009. Der Kontakt zu vielen anderen Vereinen scheint nicht mehr derselbe zu sein. Manche Spiele werden zu sehr unbequemen Zeiten angesetzt (etwa gegen Kristianstad am Freitagabend um 18.30 Uhr oder gegen Stattena am Abend vor dem Mittsommerabend, wenn alle dabei sind, die Heringsmarinade vorzubereiten oder Hackfleischbällchen rollen). Werbung für die Spiele sieht man kaum in der Stadt. Die Homepage des Vereins sieht aus wie eine Homepage aus den Anfangsjahren des Internet, wenig attraktiv und selten mit mehr als einer neuen Nachricht. Ebenfalls negativ bei Djurgården: der recht hohe Altersdurchschnitt im Team. Nicht weniger als acht Spielerinnen sind 29 Jahre oder älter. Das bringt zwar auch eine Menge Erfahrung mit sich, aber für eine mittel- oder gar langristige Planung taugt das wenig, da sehr bald grössere Teile des Kaders ausgetauscht werden müssen.

In Stockholm konkurrieren die drei Vereine mit einer Menge von anderen sportlichen Angeboten, mit Konzerten, Ausstellungen und einem Freizeitangebot eben einer Hauptstadt. Insofern ist es vielleicht nicht verwunderlich, wenn die Spitzenvereine derzeit an der Peripherie angesiedelt sind, mit Ausnahme von LdB FC Malmö, das aber seine exzellente Ausstattung einem genialen Sponsorvertrag zu verdanken hat.

Es gibt ein entscheidendes Problem im Frauenfussball. Die sportliche Entwicklung ist rasant vorangeschritten. All die Nörgler und Lästerer, die abschätzig über den Sport reden und schreiben, haben in der Regel noch kein Spiel live vor Ort gesehen. Der wesentliche Unterschied zwischen Männern und Frauen in diesem Sport sind von der grösseren Muskelmasse abgesehen die Ressourcen. Sponsoren haben sich in den letzten Jahren im Frauenfussball engagiert, weil sie vor allem ihrer Marke ein positives Image verpassen wollten. Es gab nicht die zwingende Forderung, dass da ökonomisch auch etwas zurückfliessen muss. In den Zeiten der Wirtschaftskrise hat sich das geändert. Es ist ungleich schwerer, einem Sponsor zu verkaufen, dass der zwar Geld fliessen lassen soll, dass das aber lediglich vom Konto abgebucht wird und nichts zurückfliesst. Sollte nun der eine oder andere Verein (auch Umeå ist auf alles andere als Rosen gebettet) wirtschaftlich einbrechen, dann droht langfristig auch die sportliche Entwicklung mindestens zu stagnieren.

Insofern sind Einsätze nicht nur von den Vereinen, sondern auch von den Verbänden gefragt, die ein Interesse daran haben sollten, dass die am schnellsten wachsende Mannschaftssportart der Welt auch das Publikum bekommt, dass sie verdient. Zu vieles ist im Umfeld von Werbung und Aussendarstellung noch zu amateurhaft. Die meisten Spielerinnen sind sportlich längst daran vorbeigezogen.

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